So war´s

Geboren wurde Nicole Uphoff am 25. Januar 1967 in Duisburg. Die innige Liebe zum Pferd begann für die Doppel-Olympiasiegerin im Frühling 1976 beim bald täglichen Ritt durch die Dünen der Nordseeinsel Sylt. Ein Jahr später schenkten ihr die Eltern zum zehnten Geburtstag das erste eigene Pferd, eine Stute mit Namen Waldfee. Nicole nahm mit Waldfee Reitunterricht. Ihr erster Reitlehrer war bis 1979 der Kavallerie-Rittmeister Willi Korioth aus Kaarst. Mit Waldfee wechselte sie Ende 1979 nach Duisburg, wo Antonius Holland die reiterliche Ausbildung fortsetzte. Erste Turniererfolge in Dressur und Springen bis zur Klasse L stellten sich ein.

1979 entdeckte die Familie den damals sechs-jährigen holländischen Wallach Askan und 1980 den dreijährigen Wallach Rembrandt, einen braunen Westfalen-Sohn von Romadour II. Beide Pferde kamen nach Duisburg-Homberg und wurden von der inzwischen dreizehn Jahre alten Nicole und Antonius Holland geritten und ausgebildet. Die Stute Waldfee wurde schweren Herzens in gute Hände gegeben.

Das Dressurtalent Rembrandt ging ab 1986 die ersten S-Prüfungen mit Erfolg. Die Ausbildung des Teams Rembrandt und Nicole hatte mittlerweile Dr. Uwe Schulten-Baumer übernommen. Rembrandt und Askan wurden von nun an nur noch von Nicole selbst geritten. Anfang 1987 wurde Nicole auf Rembrandt Europameisterin der Jungen Reiter, in Einzel- und der Mannschaftswertung. Im Mai 1987 gelang dem Duo in Lausanne der erste Sieg in einem Grand-Prix-Special, ein Erfolg auch über die seinerzeit amtierende Weltmeisterin, Christine Stückelberger, und damit der endgültige Durchbruch zur Weltspitze. Noch im selben Jahr errangen Nicole und Rembrandt den Dritten Platz bei der Deutschen Meisterschaft der Senioren in Mannheim und wurden daraufhin in den Olympiakader aufgenommen. Im April 1988 übernahm Bundestrainer Harry Boldt in Warendorf das Training.

Das Jahr 1988 brachte erst die Deutsche Dressur-Meisterschaft und dann den überwältigenden und sensationellen Doppel-Gold-Erfolg bei den Olympischen Spielen in Seoul. Zuerst errangen Nicole Uphoff und Rembrandt im Team mit Ann-Kathrin Linsenhoff auf Courage, Monica Theodorescu auf Ganimedes und Dr. Reiner Klimke auf Ahlerich den Sieg. Wenig später wurden Margit Otto-Crépin und Christine Stückelberger in der Einzelwertung von Nicole mit 1521 Punkten auf die Plätze zwei und drei verwiesen. Im Jahr darauf festigten Nicole und Rembrandt ihre Spitzenstellung im internationalen Dressursport mit dem erneuten Gewinn der Deutschen Meisterschaft und dem Doppelerfolg der Europameisterschaft in der Einzel- und Mannschaftsprüfung. Von 1987 bis 1989 gewannen die beiden insgesamt 30 Grand Prix und Special-Turniere, davon 21 in Folge.

Währenddessen hat Nicole Uphoff ihre schulische und berufliche Ausbildung nie vernachlässigt. Sofort nach dem Abitur begann sie eine dreijährige Ausbildung, die sie als Speditionskauffrau Anfang 1989 erfolgreich abgeschlossen hat.

Ein Missgeschick besonderer Art passierte Nicole Uphoff im Mai 1990. Sie stürzte beim Training unglücklich und zog sich einen dreifachen Bruch des linken Unterarmknochens zu. Zwei Monate vor der Weltmeisterschaft schien dies das Aus für alle Medaillenträume in Stockholm zu sein. Doch mit zähem Siegeswillen und ihrem stets ungebrochenen Optimismus schaffte die junge Reiterin, was selbst Experten für unmöglich gehalten hatten. Erst führte sie Rembrandt zum Sieg mit der Mannschaft und dann erlebte das Stockholmer Olympiastadion einen nie da gewesenen „Fabelritt“ in der Einzelwertung. Nicole und Rembrandt ritten mit Weltrekord und unglaublichen 1569 Punkten zum Sieg und damit zum Doppel-Weltmeisterschaftssieg.

Den zweiten großen EM-Erfolg erlebte das Dressur-Traumpaar im September 1991 in Donaueschingen als Mannschafts-Gold und Einzel-Silber die Trophäensammlung bereicherte.

Entgegen mancher Erwartungen erfuhren auch die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona eine Wiederauflage des Erfolgs von Seoul. Ein überragender Rembrandt und eine voll konzentrierte Reiterin holten wieder zweimal Gold und festigten damit ihre Spitzenstellung im internationalen Dressursport: Nicole Uphoff ist mit diesen Erfolgen eine der erfolgreichsten Reiterinnen aller Zeiten.

Was bis dahin noch nie da gewesen ist, hat sie geschafft: Drei von ihr selbst ausgebildete Pferde haben sich gleichzeitig in Grand Prix Wettbewerben platzieren können. Neben Rembrandt (»Remmi«) waren das der rheinländische Fuchs-Wallach Grand Gilbert (»Berti«) und der Hannoveraner-Wallach Sir Lenox. Der Glücksklee- Sohn Grand Gilbert reiste bereits 1992 auf Wunsch des damaligen Bundestrainers Harry Bold als erstes Ersatzpferd der deutschen Dressur-Equipe mit zu den Olympischen Spielen nach Barcelona.

Zu dieser Zeit kehrte auch die inzwischen 19-jährige Waldfee zurück in Nicoles Stall. Waldfee bringt am 24. Mai 1993 ihr erstes Fohlen, einen prächtigen braunen Hengst, zur Welt. Vater des kleinen »Look at me« ist der Rheinländer Landino. Wenige Tage später, am 13. Juni 1993 gewinnt Nicole Uphoff, wieder mit Rembrandt, die Deutsche Meisterschaft in Verden mit einem nie da gewesenen Traumergebnis. Trotzdem bleibt dieser Tag der gesamten Reitsportwelt wohl eher in trauriger Erinnerung, denn während der Ehrenrunde geschieht das Unfassbare: Rembrandt wird von einem ausschlagenden Pferd unterhalb des Knies getroffen und erleidet einen Bruch im rechten Hinterbein. In der Wattenscheider Spezialklinik setzt Dr. Peter Cronau dem Ausnahmepferd in einer 90-minütigen Operation zwei Schrauben ein, die dauerhaft verbleiben und die Verletzung heilen sollen. Rembrandt bleibt elf Tage in der Klinik und kann in den darauf folgenden Monaten nur leicht bewegt werden. Frühestens zur grünen Saison 1994 ist mit einem Comeback zu rechnen.

Sollen die Europameisterschaften im Herbst 1993 nun doch, ohne die »fest gebuchte« Nicole Uphoff stattfinden? Die gebürtige Duisburgerin überrascht wieder einmal alle, als sie bei den nationalen Qualifikationsturnieren ihr Zweitpferd Grand Gilbert in bislang nicht gezeigter Brillanz präsentiert und den Fuchswallach scheinbar mühelos in das Europameisterschaftsaufgebot der deutschen Mannschaft reitet. Die bis dahin ausschließlich durch seine Reiterin investierte Ausbildung und das außergewöhnliche Talent von Nicole Uphoff machten das für unglaublich gehaltene wahr: Auch aus Lipiza kommt die Dressuramazone als Doppelsiegerin zurück in den heimischen Stall. Rembrandt nimmt es in seiner eichenlaubgekrönten Box gelassen: Der Jugend eine Chance, mag er sich gedacht haben. In der Wintersaison 1993/94 steht Grand Gilbert im Mittelpunkt intensiver Turniervorbereitungen, denn schon früh im Jahr steht das Finale im FEI-WorldCup in Göteburg an. Die investierte Arbeit trägt Früchte und Nicole Uphoff verbucht auf ihrem »Berti« einen hervorragenden 2. Platz hinter ihrer Teamkameradin Monika Theodorescu.

»Remmi« ist eine Kämpfernatur, hat Nicole Uphoff immer über ihren vierbeinigen Partner gesagt – und das war nicht nur Zweckoptimismus, denn nach 11-monatiger Pause schafft das Jahrhundertpferd den Sprung in eine weitere Superlative: Bereits beim ersten Grand-Prix-Start in Steinhagen siegt der 4-malige Olympiasieger unter seiner Reiterin im Grand Prix Spezial und schlägt die verblüffte Konkurrenz. Dass Rembrandt – das beste Dessurpferd der Welt – wieder voll da war, beweist der Romadour II – Sohn auch bei der ersten WM-Sichtung zu Pfingsten 1994 in Wiesbaden. Überlegen – mit der zweithöchsten Benotung überhaupt – siegt das Traumpaar im Grand Prix und im Special. Im Herbst des gleichen Jahres ergänzt Nicole Uphoff ihre bis dahin 23 Gold- und 2 Silbermedaillen in Den Haag um die Titel der Mannschafts-Weltmeisterin und um die Vize-Weltmeisterschaft in der Einzelkonkurrenz, natürlich mit ihrem »Remmi«.

Dann, im Olympiajahr 1996 wird Rembrandt von seiner Reiterin nur sehr gezielt auf Turnieren eingesetzt und präsentiert sich dort in guter Form. Trotz seiner immerhin 19 Jahre geht er frisch und ist frech wie eh und je. Leider zu frisch und frech, weshalb sich das DOKR (Deutsches Olympiadekomitee für Reiterei) gegen das bislang so erfolgreiche Paar als Mitglied der Dressurequipe entschied. Nicole Uphoff macht darauf hin von einer in den FEI-Statuten festgeschriebenen Möglichkeit Gebrauch, als Titelverteidigerin in der Einzelkonkurrenz zu starten. Vor der entscheidenden dritten Teilprüfung in Atlanta zieht sich Rembrandt allerdings eine Muskelzerrung zu und wird von seiner Reiterin zurückgezogen. Nach Grand Prix und Special belegten sie den 7. Platz.

Rembrandt ist längst Dressur-Legende. Als solche verabschiedet Nicole Uphoff ihren »Remmi« im Herbst 1996 im Rahmen einer vielbeachteten Abschiedstournee. Rembrandt stand bis zuletzt bei Freunden der Familie Uphoff und konnte sein Gnadenbrot genießen. Im November 2001 hat Dr. Cronau ihn 24jährig – nach einem erlebnis- und erfolgreichen Leben – eingeschläfert. „Für mich bleibt Remmi aber immer präsent, denn alles, was ich heute kann, habe ich von ihm gelernt.“ so seine Reiterin Nicole Uphoff.